Hanspeter Dähler
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Müller -B-

CURRICULUM

1953 Stilli AG
1970 - 1974 Ecole d'Art Appliqué, Vevey, Section Céramique / College of Applied Arts, Vevey, Ceramic Department
1975 - 1982 Design und Entwicklung von Gebrauchskeramik für die Keramikindustrie / Design and Development of functional Ceramics in a Swiss Manufactory
1987 - 1989 Schule für Gestaltung Bern, Fachklasse Kunst bei Anna Winteler, Ueli Berger, Dieter Seibt / School of Arts Berne
1991 - 1992 Lehrauftrag an der Schule für Gestaltung Bern, Fachklasse Keramik / Lecturer, Ceramic Department, College of Applied Arts, Berne

EINZELAUSSTELLUNGEN (Auswahl) I SOLO EXHIBITIONS (selected)

1990 Galerie Chrämerhuus, Langenthal
1992 Berner Fotogalerie, Bern
1994 Kunsthalle Wil (SG)
1996 U-Galerie, Zürich
1998 Nancy Margolis Gallery, New York NYC, «Restless»
1999 Galerie Byfang 21 Basel, mit Otmar Eder
2000 Maison de la Céramique, Centre d‘Art Internationale Mulhouse (F), «Projets courants»
2001 Galerie Schmidt-Esters, Köln (D)
2003 Kunstforum Kirchberg, Kirchberg, «Schauer»
2004 Nancy Margolis Gallery, New York, «Please turn over»
2006 Galerie Chrämerhuus, Langenthal «Weisses Gold»
2007 Kunstforum Solothurn, Solothurn, «Gelber Fluss»
2010 Kunstforum Solothurn, «schwellen»
2013 Kunstforum Solothurn, «clouds + unexpected expeKtations»

GRUPPENAUSSTELLUNGEN (Auswahl) I GROUP EXHIBITIONS (selected)

Katalog I Catalogue
1987 CH-Keramik in China (Shanghai, Nanking)*
1987/89/91/96 Biennalen der CH-Keramiker *
1989 Dampfzentrale Bern*
Aargauer Kunsthaus, Weihnachtsausstellung*
1990 Centre Culturel Suisse, Paris
Biennale Internationale de la Céramique, Vallauris (F)*
Shedhalle Zürich «Salon» *
Raum F, Zürich
1991 Galerie Böwig, Hannover (D), Keramik*
Chateau Aubonne, 16 Artistes*
Helmhaus Zürich, «Kunstszene» *
Feuermale, Offenburg (D)*
1993 Galerie Loerakker, Amsterdam (NL)
Biennale Internationale Chateauroux (F)*
ABB Hallen Baden, Stipendienausstellung
1994 Centro Rocca Paolina, Perugia (I)*
Shedhalle Zürich, «Merry go round»
1995 Zürcher Inventar, Helmhaus Zürich*
Galerie Chrämerhuus, Langenthal «20 Jahre»
Kunsthaus Oerlikon, Zürich «Die Letzte»
1996 CH-Keramik, München (D)
CH-Keramik, Ehemalige Synagoge Sandhausen (D)
Cluster Images, 2. Werkleitz Biennale (D)*
2. Biennale Aubonne, «Sculpture », Aubonne*
«Sculpture» la Biennale à Mulhouse, (F)
1997 Arctic Foundation Eindhoven (NL), «De Huid van de Witte Dame» *
Museet Grimmerhus, Middlefart (DK)
Biennale der Keramik, Kairo (ET)*
Hôtel de Ville Yverdon-les-Bains, «Amphores, Jarres & Cie»
NOW/NOW Icheon, South Korea*
Villa am Aabach Uster, «Zwischen Gefäss und Objekt»
2009 Hôtel de Ville, Yverdon les Bains, CH Keramik
Antikenmuseum Basel, Intervention Biennale Basel
Museum Bellerive Zürich, «Weisses Gold»
2012 Museum Ariana, Genf, «Langenthal revisité»
2015 Museum Ariana, Genf, «Lux, Calme et Volupté»

AUSZEICHNUNGEN I AWARDS AN GRANTS

1989 1. Preis ex aequo, Biennale CH-Keramik / 1st Prize, Swiss Ceramic Biennial
1990 Goldmedaille für Skulptur, Biennale Vallauris / Gold Medal for Sculpture, Biennial Vallauris
1992 European Ceramic-Workcentre (NL)
1993 Aargauer Kuratorium, Stipendium Cité des Arts, Paris / Grant Cité des Arts, Paris, Canton Aargau

ÖFFENTLICHE SAMMLUNGEN I PUBLIC COLLECTIONS

Stiftung für Foto, Video und Film, Kunstmuseum Bern
Sammlung DOSASK, Bern
Museum Ariana, Genf
Grafische Sammlung, Museum für Gestaltung Zürich
Kunstkommission Langenthal
Kanton Zürich
Museum Het Kruithuus, s‘Hertogenbosch (NL)
Griffelkunst, Hamburg (D) Edition 1994
Mint Museum of Art, Charlotte NC, USA
Sammlung Alfred Richterich, Laufen
Keramikmuseet Middelfart (DK)
Museum Bellerive, Zürich, Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich
mudac, Lausanne

MÜLLER B (deutsch)

Seit frühester Kindheit ist Müller -b- (*1953) mit dem Material Tonerde vertraut. Die sowohl in Keramik wie in bildender Kunst ausgebildete Künstlerin geht, wie ihre Ausstellung „um immer wieder für Gäste zu kochen, von unten her“ im Kunstforum Solothurn fulminant aufzeigt, ganz vom Material aus und lässt dieses sprechen. Damit steht sie einem gegenwärtigen Trend diametral entgegen, wo Künstler auf dem Kunstmarkt Erfolge feiern, indem sie ihre in anderen Medien erarbeitete Bildsprache der Keramik aufpfropfen - häufig unter Beihilfe von Fachkräften.

In einem Amalgam aus Verweisen auf die Geschichte und Symbolik der Keramik und Szenarien der Ausbeutung von Bodenschätzen, Globalisierung und Klimawandel schuf die Künstlerin in den letzten Jahren eindringliche Werke von existentieller Wucht. Diese kreisen um Themen wie kontaminierte Tonabbaustätten oder prekäre Behausungen. Gegenwärtig wendet sie sich - quasi als elementarem Sinnbild der sich wandelnden Interaktion zwischen Mensch und Erde - nochmals dem Klassiker der Keramikkunst, dem Gefäss zu. Und zwar &Mac220;von unten her&Mac221;.

Ihren neuen, vollplastischen Gefässen stellt Müller -b- die gleichsam körperlosen Exemplare aus den Neunzigerjahren gegenüber. Die älteren, mit flüssigem Ton mittels Löffel gezeichneten Gefässe widerspiegeln die Geschichte der Keramik anhand von Gefässumrissen. Sie bilden eine Art virtuelles Museum, sind unpersönlich, platzsparend stapelbar, informativ - aber ihrer ursprünglichen Funktion beraubt.

Die neuen Gefässwände konstruiert sie in einer rudimentären Abwandlung der traditionellen Wulsttechnik. In flüssigen Ton getauchte Verpackungsmaterialien wie Kartonschnipsel, Abdrucke und Abgüsse von Wellkartons und Luftpolsterfolien werden so mit verschiedenen Tonarten - mit unterschiedlichen Brennpunkten - «verwulstet». Beim Brand mutet sie dem Material extreme Temperaturen zu, was zu unkontrollierten Sinterprozessen führt. Die Einsprengsel aus der modernen Wegwerfwelt wirken dabei einerseits stützend - Lawinenverbauungen gleich - andererseits erhöhen sie die Fragilität des Ganzen. Dem Zufall kommt beim Brand eine erhebliche Rolle zu. Damit unterläuft Müller -b- jegliche Regel der Keramikkunst bei gleichzeitigem Zitieren traditioneller Verfahren.

Uns, ihren «Gästen», hält Müller -b- mit ihren Arbeiten ihre Wahrnehmung der heutigen Welt als Terra Cotta vor Augen, befeuert vom Prinzip Hoffnung.

Roswitha Schild

«um immer wieder für Gäste zu kochen, von unten her» Text im Kunstbulletin 6/2017

CLOUDS + UNEXPECTED EXPEKTATIONS (deutsch)

Wer Ende 2010 die letzte Ausstellung „schwellen“ von Müller -b- im Kunstforum Solothurn gesehen hatte, kann sich vielleicht an die zementgebundenen Holzfaserplatten erinnern, auf welchen die Ausstellungsobjekte präsentiert worden waren. Dieselben kommen auch diesmal zum Einsatz, nun aber aufgebockt auf grauen Stapelboxen, in welchen die Künstlerin die Werke von Zürich nach Solothurn transportierte. Dies macht einerseits deutlich, dass die aktuelle Ausstellung an jene von vor gut zwei Jahren anknüpft, zeigt aber gleichzeitig, mit welcher Konsequenz Müller -b- das Thema des sparsamen Umgangs mit Ressourcen verfolgt. Schon damals schuf sie mit Hilfe der trempage-Technik, indem sie Füllkartongeflechte in flüssigen Ton eintauchte, fragile Metaphern einer aus dem Lot geratenen Welt. Durch dieses bewusste Dehnen des Materials bis zum Äussersten (Müller -b- sprach bei ihren Kaugummiarbeiten 1994 von „Dehnsucht“) gelingt es der Künstlerin, die innere Spannung, die Energie, welche den kreativen Akt auslöst und begleitet, sicht- und fühlbar zu machen. So ist es auch nicht ganz abwegig, dass sich bei manchen Arbeiten ein ähnliches Gefühl einstellt, welches einen beim Anblick von Bildern nach 9/11 oder dem Tsunami 2011 in Japan so aufwühlte: das Entsetzen über die offensichtliche Verwundbarkeit einer vorher sicher geglaubten Ordnung, vermischt mit einem ungläubigen Staunen über vorher nie gesehene Bilder einer von entfesselten Energien durcheinander gewirbelten Welt. „Analysing a cloud“ verbildlicht die schwebende Gefahr, welche von einer kontaminierten Wolke für die darunterliegende Ordnung ausgeht.

In der aktuellen Ausstellung verwandte Müller -b- neben oxidierend wie reduzierend gebranntem Ton erstmals seit langer Zeit wieder Porzellan, ein Material, das in ihrer konzeptuellen Betrachtung vorwiegend negativ besetzt ist, denn obwohl das Ausgangsmaterial, das Kaolin, relativ selten ist und in unseren Gegenden nicht vorkommt, überschwemmen Porzellanprodukte den Markt, mit Folgen vergleichbar jenen des invasiven Auftritts des römischen Geschirrs und Terrakotten vor 2000 Jahren. Der in kürzester Zeit vollzogene Kulturverlust empfindet Müller -b- als eine Ungeheuerlichkeit, die sie so nicht einfach hinnehmen mag, der sie ihre Werke entgegensetzt. Dem die Menschheitsgeschichte seit Beginn weg begleitenden Werkstoff ringt sie mittels der Verwendung zeitgenössischer Konnotationen (Verpackungsmaterialien) neue Bedeutungen ab, welche in der Betrachterin direkte Betroffenheit auszulösen vermag.

Armageddon hat bereits begonnen: die entscheidende Schlacht findet im künstlerischen Kosmos von Müller -b- zwischen der rein und luxuriös erscheinenden, die Ressourcen verschwendende Massengesellschaft repräsentierenden Porzellanwelt und der erdverbundenen, die lokalen Bedingungen berücksichtigenden Tonwelt statt („simulated“, „Roof constructions“, „The big palaver“). In „Weiss“ geht die Hightechwelt - Assoziationen an Bird's Nest von Herzog & de Meuron liegen nahe - gleich an sich selbst zugrunde. „Nur noch kurz die Welt retten“ kann auch Müller -b- nicht, aber einen Versuch ist es allemal wert.

Roswitha Schild

Text im Kunstbulletin 3/2013

CLOUDS + UNEXPECTED EXPEKTATIONS (deutsch)

Seitdem die Künstlerin Müller -b- (*1953) die Welt ihrer jungen Erwachsenenjahre in und um eine Ostschweizer Keramikmanufaktur im aussichtslosen Abwehrkampf gegen Billigware aus Süd und Fernost hat untergehen sehen, stellt sie einer brutal sich verändernden, auf rein ökonomischen Bedingungen basierenden Wirklichkeit ihr „j'accuse“ entgegen. Liess sie anfangs an „armen“ Materialien ihrem Furor freien Lauf, reibt sie sich nun am wertvollsten und prestigeträchtigsten aller keramischen Materialien, am Porzellan. Gleichsam als Verbildlichung der schon weit fortgeschrittenen Ausbeutung der ihrer Reinheit wegen relativ seltenen Porzellanerde streckt sie - und schwächt damit - das Material, indem sie Verpackungsmaterialien wie Kartonfüllsel in flüssige Porzellanmasse eintaucht, brennt und anschliessend kombiniert mit rottonigen Abdrucken von Wellkartons oder Abgüssen von Luftpolsterfolien. Die karg, favelaartig, vom Einsturz und gleichzeitig wegen mangelnder Bodenhaftung vom Davonfliegenden bedroht anmutenden Zeichen menschlicher Behausungen stehen ebenso wie die rudimentären Abbaustätten als Sinnbild einer haltlosen und ausbeuterischen Gesellschaft.

Roswitha Schild

CLOUDS + UNEXPECTED EXPEKTATIONS (english)

As a young adult, the artist Müller -b- (*1953) personally experienced the disappearance of the world of a ceramics factory in the eastern part of Switzerland, as it unsuccessfully tried to defend itself against the flood of cheap products from Far and Southeast Asia.
Against this reality of brutal change, based on purely economical conditions, she posits her 'j'accuse'. Where she initially let her furore free reign onto 'poor' materials, she now chafes herself on the most valuable and prestigious material, on porcelain. She stretches the material - thereby weakening it - by immersing the packaging material such as cardboard filler into a liquid porcelain compound, fires this, and finally adds red coloured bubble wrap impressions, quasi to visualize the already very advanced exploitation of the porcelain clay, which is relatively rare due to its purity. The sparse, favela-like symbols of human dwellings under threat of collapse and at the same time of flying away due to the lack of solid foundations are, just like the rudimentary sites of degradation, symbols of an exploitative and untenable society. The renowned gallery, which has been showing international contemporary ceramic art for 26 years, also has on exhibit, serving as a reference, photographs of Müller -b-'s early 'chewing' works.

Roswitha Schild